Wenn die private Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit die vereinbarte Leistung - das Krankentagegeld - nicht zahlt, ist das für arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, Selbständige und Freiberufler eine potenziell existenzbedrohende Situation. Denn ohne die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird kein Einkommen erzielt. Die finanziellen Belastungen des täglichen Lebens wie Miete, Lebenshaltungskosten, Versicherungen etc. müssen aber weiterhin bezahlt werden.
Wenn aber die private Krankenversicherung nicht die entsprechenden Leistungen erbringt, für die die Versicherten monatlich Beiträge zahlen, sind mögliche Ersparnisse schnell aufgebraucht. Doch allzu oft verweigern die Versicherungen das Krankentagegeld oder kürzen die Leistungen. Mit einer Ablehnung der Versicherung sollte man sich nicht abfinden.
Über die private Krankentagegeldversicherung, die typischen Ablehnungsgründe der Versicherungen und warum sich Versicherte damit nicht abfinden sollten, informiert Rechtsanwalt Arne Michaelis in diesem Beitrag.
Inhaltsangabe
- Was ist das Krankentagegeld?
- Unterschied Krankengeld und Krankentagegeld
- Ab wann erhält man Krankentagegeld?
- Haben privat Versicherte Anspruch auf Lohnfortzahlung?
- Warum zahlt die PKV das Krankentagegeld nicht?
- Was tun, wenn die private Krankenversicherung das Krankentagegeld nicht zahlt?
Was ist das Krankentagegeld?
Eine Grippe, ein gebrochener Arm, ein grippaler Infekt, die Folgen eines Unfalls oder eine stationäre Behandlung können dazu führen, dass Erwerbstätige für eine gewisse Zeit "krank" sind und nicht mehr arbeiten können. Solange eine solche Erkrankung nur vorübergehend ist und nicht dauerhaft dazu führt, dass man wegen Krankheit oder stationärer Behandlung nicht mehr zur Arbeit gehen kann, ist man arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit wird von einem Arzt festgestellt.
Durch die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit ist man in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt, was zu Einkommenseinbußen führen kann. Je nachdem, ob man gesetzlich oder privat krankenversichert ist und welche Form der Erwerbstätigkeit man ausübt - Arbeitnehmer oder Selbständiger/Freiberufler - kommen unterschiedliche Leistungen in Betracht, um die Arbeitsunfähigkeit finanziell abzusichern.
Unterschied Krankengeld und Krankentagegeld
Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, hat nach einer bestimmten Zeit der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld als Pflichtleistung der GKV (§ 44 SGB V). Dies gilt jedoch nicht, wenn Sie privat krankenversichert sind. Wer privat krankenversichert ist, hat keinen Anspruch auf Krankengeld und muss daher privat für den Fall der Arbeitsunfähigkeit und die damit verbundenen finanziellen Einbußen vorsorgen.
In den meisten privaten Krankenversicherungen ist daher eine Krankentagegeldversicherung enthalten oder wird als Zusatzoption angeboten. Das Krankentagegeld in der privaten Krankenversicherung ist praktisch das Pendant zum Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wer eine private Krankentagegeldversicherung (KTG) abgeschlossen hat, erhält ab einem vereinbarten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit eine im Versicherungsvertrag vereinbarte Summe, die in der Höhe auf das bisherige Einkommen begrenzt ist.
Aber Achtung - Verwechselungsgefahr: Die Krankentagegeldversicherung und die Krankenhaustagegeldversicherung klingen zwar fast gleich, sind aber unterschiedliche Versicherungen. Die Krankenhaustagegeldversicherung ist eine private Versicherung, die man selbst abschließen muss. Sie zahlt bei einem stationären Krankenhausaufenthalt pro Tag einen bestimmten, im Vertrag vereinbarten Betrag. Damit sollen die durch den Krankenhausaufenthalt entstehenden Mehrkosten gedeckt werden. Die Krankenhaustagegeldversicherung ersetzt keinen Verdienstausfall.
Ab wann erhält man Krankentagegeld?
Ab wann man Krankentagegeld erhält, hängt davon ab, ob man Arbeitnehmer oder Selbständiger/Freiberufler ist. Meist gibt es eine bestimmte Karenzzeit, in der die Versicherung trotz Eintritt des Versicherungsfalls, also der Arbeitsunfähigkeit, noch nicht zahlt. Diese beträgt in der Regel 42 Tage. Arbeitnehmer, die in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, erhalten das Krankentagegeld also ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer erhalten ebenfalls ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Ersatzleistung, nämlich das Krankengeld.
Bei Selbständigen und Freiberuflern hängt der Beginn des Krankentagegeldes davon ab, was sie mit ihrer privaten Krankenkasse vereinbart haben. Es gibt private Krankenversicherungen, mit denen der Beginn des Krankentagegeldes ab dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit vereinbart werden kann. Maßgeblich ist also, was im Versicherungsvertrag vereinbart wurde. Je geringer die Karenzzeit allerdings bemessen ist, desto höher sind zumeist die Beiträge.
Haben privat Versicherte Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind, erhalten das Krankentagegeld erst ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Aber auch in den 42 Tagen vor Beginn des Krankentagegeldes gehen Arbeitnehmer finanziell nicht leer aus. In diesen 42 Tagen gilt die Entgeltfortzahlung, auch Lohnfortzahlung genannt. Dabei muss der Arbeitgeber 42 Tage lang das Arbeitsentgelt weiterzahlen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer gesetzlich oder privat krankenversichert ist.
Lediglich für Selbständige und Freiberufler gibt es keine Lohnfortzahlung, so dass das Krankentagegeld bei Arbeitsunfähigkeit früher gezahlt wird.
Warum zahlt die PKV das Krankentagegeld nicht?
Wenn man arbeitsunfähig wird, sei es durch Krankheit, Unfall oder stationäre Behandlung in einem Krankenhaus, muss man dies der Versicherung melden bzw. einen Leistungsantrag stellen, um Krankentagegeld ab dem vereinbarten Zeitraum zu erhalten. Hierfür stellen die Versicherer in der Regel spezielle Formulare zur Verfügung, die vom Versicherten ausgefüllt werden müssen. Außerdem muss der Versicherungsschutz bestehen und die Versicherung bezahlt worden sein. Ein ärztliches Attest reicht in der Regel nicht aus, um Krankentagegeld zu erhalten.
Die Versicherung entscheidet nach einem Leistungsantrag, ob sie das Krankentagegeld auszahlt. Dabei kommt es in nicht wenigen Fällen zu Problemen und die Versicherung versucht, das Krankentagegeld zu verweigern oder zu kürzen. Typische Probleme sind unter anderem:
Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht
Wer eine Krankentagegeldversicherung abschließt, muss vor Versicherungsbeginn Gesundheitsfragen beantworten. Der Versicherer kalkuliert damit sein Risiko. Es ist oft nicht leicht, den Überblick über die meist sehr zahlreichen Fragen zu behalten. Es gibt z.B. Fragen, bei denen man Angaben zu bereits diagnostizierten Krankheiten oder zu ärztlichen Behandlungen in einem bestimmten Zeitraum vor dem Ausfüllen der Gesundheitsfragen machen muss.
Die Richtigkeit dieser Angaben wird vom Versicherer jedoch nicht überprüft. Erst im Leistungsfall wird anhand der Unterlagen geprüft, ob die Angaben richtig waren. Bei falschen Angaben liegt eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor und der Versicherer kann das Krankentagegeld verweigern und den Versicherungsvertrag beenden (z.B. durch Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung - je nach Verschulden).
Keine Arbeitsunfähigkeit zu 100 %
Damit die Versicherung das Krankentagegeld zahlt, muss eine vollständige (zu 100%) Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Ansonsten kann die Versicherung einwenden, dass nur eine teilweise Arbeitsunfähigkeit vorliegt und aus diesem Grund das Krankentagegeld verweigern. Vor allem bei Selbständigen und Freiberuflern prüft die Versicherung in der Regel, je länger die Arbeitsunfähigkeit dauert, ob tatsächlich eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Gerade Selbständige und Freiberufler müssen meist auch während der Arbeitsunfähigkeit den Kontakt zum Betrieb oder zu wichtigen Kunden und Auftraggebern aufrechterhalten. Daher ist es manchmal gar nicht möglich, auch zu 100 % krankheitsbedingt nichts zu tun, keine E-Mail zu beantworten oder kein Telefonat zu führen. Solche leichten Tätigkeiten können aber bereits dazu führen, dass die Versicherung kein Krankentagegeld mehr zahlt, weil keine vollständige Arbeitsunfähigkeit angenommen wird.
Je länger die Arbeitsunfähigkeit dauert, desto eher versuchen die Versicherungen, dies auch durch Observationen oder andere Ermittlungsmethoden herauszufinden. Sogar der Einsatz von Detektiven ist möglich, um z.B. herauszufinden, ob man in den Betrieb fährt oder andere Tätigkeiten ausübt, die gegen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit sprechen.
Zweifel an der Diagnose
Manchmal zweifeln die Versicherer auch die Diagnose an. Gerade die Diagnose psychischer Erkrankungen ist häufig von subjektiven Einschätzungen des Arztes geprägt. In solchen Fällen beauftragen die Versicherer nicht selten einen "Vertrauensarzt", der die Diagnose und die Arbeitsunfähigkeit überprüfen soll. Solche Gutachter kennen in der Regel weder den Krankheitsverlauf noch die Krankengeschichte der Versicherten und handeln daher allzu oft zu Gunsten der sie beauftragenden Versicherungen. Zudem ist ein solcher Vertrauensarzt nicht unabhängig, so dass sein Gutachten vor Gericht als Parteigutachten wenig Gewicht hat.
Vorliegen der Berufsunfähigkeit
Der Versicherer kann auch behaupten, dass keine Arbeitsunfähigkeit, sondern Berufsunfähigkeit vorliegt. Dann müsste der Versicherer vereinbarungsgemäß auch kein Krankentagegeld mehr zahlen. Die Behauptung einer Berufsunfähigkeit durch die Versicherung ist für den Versicherten oft besonders gravierend, denn selbst wenn er der Versicherung nachweisen kann, dass er seinen Beruf trotz der Erkrankung noch ausüben kann, muss die Versicherung diesem Nachweis keinen Glauben schenken.
Die Versicherung verweigert dann die Zahlung des Krankentagegeldes und nimmt die existenzbedrohende Situation des Versicherten billigend in Kauf. In der Regel führt in einem solchen Fall kein Weg an einem gerichtlichen Verfahren vorbei. Erst in einem solchen gerichtlichen Verfahren kann geklärt werden, ob die Versicherung das Krankentagegeld zu Recht verweigert hat.
Vorwurf der Überversicherung
In der Krankentagegeldversicherung gilt das sogenannte Bereicherungsverbot. Der Tagessatz der Versicherung darf nur dem entsprechen, was der Versicherte verdient. Sind in der Versicherung höhere Tagessätze vereinbart, könnte die Versicherung im Falle einer Überversicherung das tatsächliche Nettoeinkommen kürzen. Meist überprüft die Versicherung das Nettoeinkommen der letzten drei Jahre. Bei Arbeitnehmern ist dies relativ einfach über die Jahreslohnbescheinigungen nachzuweisen.
Bei Selbständigen und Freiberuflern treten dagegen häufiger Probleme auf. Aufgrund von Umsatz- und Gewinnschwankungen, z.B. durch die Corona-Pandemie, den Zusammenbruch von Lieferketten oder Kriege, können die Umsätze und damit das Einkommen stark schwanken. Für den Versicherten ist es doppelt ärgerlich, wenn die Versicherung nun ein geringeres Einkommen feststellt, als das, was versichert war. Zum einen erhält er ein geringeres Krankentagegeld. Zum anderen hat er für das vereinbarte höhere Krankentagegeld auch höhere Beiträge bezahlt - ohne davon einen Nutzen gehabt zu haben.
Was tun, wenn die private Krankenversicherung das Krankentagegeld nicht zahlt?
Die Verweigerung des Krankentagegeldes durch die Versicherung stellt eine besonders belastende Situation für Versicherte dar. Neben der Krankheit, die es zu überwinden gilt, kann eine vollständige Verweigerung des Krankentagegeldes die Betroffenen in eine finanziell existenzbedrohende Situation bringen, insbesondere wenn die Arbeitsunfähigkeit länger andauert. Da man gerade für solche Situationen eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat, sollte man sich mit der Verweigerung oder Kürzung des Krankentagegeldes durch die Versicherung nicht abfinden.
Auseinandersetzung mit der Versicherung
In nicht wenigen Fällen führt eine außergerichtliche oder gerichtliche Klärung zu einer Leistungspflicht der Krankentagegeldversicherung und stärkt damit die Rechte der Versicherten. Hierzu sollten sich Betroffene an einen Rechtsanwalt wenden, der sich mit der Materie der Krankentagegeldversicherung auskennt. Ein erfahrener Anwalt kann die Ablehnungsgründe der Versicherung prüfen, Sie über die nächsten Schritte beraten und Sie bei einem Vorgehen gegen die Versicherung vertreten.
Angesichts der möglicherweise existenzbedrohenden Situation und der Tatsache, dass Sie als Versicherter monatlich Beiträge für den Versicherungsschutz gezahlt haben, sollten Sie nicht auf Ihr Recht verzichten und die Entscheidung der Versicherung hinnehmen.
Rechtliche Vertretung
Arne Michaelis ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht. Aufgrund seiner Spezialisierung auch auf das Recht der Krankentagegeldversicherung und seiner besonderen Kenntnisse im Medizinrecht kann Sie Rechtsanwalt Michaelis bei Problemen mit der Krankentagegeldversicherung umfassend und kompetent beraten und vertreten.
Das Wichtigste zur Krankentagegeldversicherung und einer möglichen Ablehnung
- Krankentagegeld und finanzielle Absicherung: Privat Krankenversicherte haben keinen Anspruch auf das gesetzliche Krankengeld und müssen für einen solchen Schutz eine Krankentagegeldversicherung abschließen, um im Falle einer Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert zu sein. Diese Versicherung zahlt ab einem bestimmten Tag eine vereinbarte Summe, die sich nach dem bisherigen Einkommen richtet.
- Unterschiede für Arbeitnehmer und Selbständige: Bei privat versicherten Arbeitnehmern beginnt die Zahlung des Krankentagegeldes in der Regel ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Selbständige können je nach Vertrag bereits ab dem 4. Tag Krankentagegeld erhalten, allerdings steigen bei kürzeren Karenzzeiten die Versicherungsbeiträge.
- Ablehnungsgründe der Versicherung: Häufig verweigern private Krankenversicherungen das Krankentagegeld oder kürzen es. Typische Ablehnungsgründe sind angeblich falsche Angaben bei der Gesundheitsprüfung, nur teilweise Arbeitsunfähigkeit, Zweifel an der ärztlichen Diagnose oder eine Überversicherung, bei der das Krankentagegeld das tatsächliche Einkommen übersteigt.
- Arbeitsunfähigkeit bei Selbständigen problematisch: Bei Selbständigen und Freiberuflern prüft die Versicherung häufiger, ob eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Schon leichte Tätigkeiten wie das Beantworten von E-Mails können dazu führen, dass die Versicherung das Krankentagegeld verweigert.
- Berufsunfähigkeit als Ablehnungsgrund: Versicherungen können behaupten, dass keine Arbeitsunfähigkeit, sondern eine Berufsunfähigkeit vorliegt. Dies führt zu einer Zahlungsverweigerung, die für die Versicherten oft existenzbedrohend ist und häufig zu einem Gerichtsverfahren führt.
- Rechtsbeistand notwendig: Weigert sich die Versicherung, das Krankentagegeld zu zahlen, sollten Versicherte rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann prüfen, ob die Ablehnung gerechtfertigt ist und den Versicherten bei einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung vertreten.